Gewerbe um jeden Preis

Noch gibt es die Felder in Garbenteich Ost, doch noch dieses Jahr werden die Bagger rollen. Dann werden 25 Hektar landwirtschaftliche Fläche versiegelt und der Flächenfraß in Mittelhessen geht weiter.

Natur

Der NABU Kreisverband Gießen e.V. und die untere Naturschutzbehörde haben in ihren Stellungnahmen zur Offenlegung Mängel an dem erstellten Umweltgutachten aufgezeigt. Als Ausgleichsfläche wird z.B. ein besehender Mischwald angeführt. Dieser soll in einen mesophilen Buchenwald umgewandelt werden. Hier wird in ein funktionierendes Habitat eingegriffen, um auf dem Papier Ausgleichsflächen zu generieren.

Auch die Ausgleichsfläche für das Rebhuhn ist in ihrer Größenordnung, ihrer Ausgestaltung und ihrer Lage nicht als natürlicher Lebensraum für diese Tiere geeignet. Der NABU Kreisverband Gießen e.V. hat in eigener Begehung des Gebietes ein weit aus höheres Feldlerchenaufkommen festgestellt, als im Umweltgutachten angegeben. Daraus ergibt sich, dass die angesetzten Feldlerchenfenster nicht ausreichend sind. Die Wechselwirkungen mit der näheren Umgebung wie z.B. dem Naturschutzgebiet am Hohen Stein und den geplanten Windkraftanlagen am Höhlerberg werden darin nicht bedacht.

Grundsätzlich wurden viele der berechtigten Einwendungen der Pohlheimer Bürgerinnen und Bürger in den „Abwägungen“ des Projektentwicklers und der Mehrheit der Stadtverordneten zu Gunsten des Investors einfach weggewischt, ohne sich ernsthaft damit auseinander zu setzen.

Verkehr

Neben dem flächendeckend fehlerhaften Umweltgutachten bleibt weiterhin zu bemängeln, dass die Entwicklung des Verkehrs – besonders auf der L3131 und in Dorf Güll – weder von der Stadtverwaltung noch vom Projektplaner jemals ernsthaft bedacht wurde, da das Gewerbegebiet darauf keinen Einfluss hätte (!!!). Eben so wenig wurde die Lärmbelastung der Anwohner im Admonter Ring durch den zusätzlichen Verkehr und die geänderte Bebauungssituation näher betrachtet.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass in dem vorliegenden Verkehrsgutachten lediglich der Knotenpunkt zur Einfahrt in das Industriegebiet betrachtet wird. Die Fahrzeuge, die hier abbiegen, gelangen über weitere Straßen dorthin. Daher sollte ein großflächiges Verkehrsgutachten erfolgen, dass die zuführenden Straßen B457, A5 , A485 und L3131 mit einbezieht.

Auch bleibt der Einfluss auf die mittelhessische Gesamtverkehrssituation, die schon durch das Möbellogistik-Riesenlager in Lich (Langsdorfer Höhe), des Rewe Logistik-Lagers Wölfersheim, Amazon Verteilzentrum in Echzell und nicht zuletzt durch die erwartbare Mehrbelastung durch den A49-Ausbau völlig unbetrachtet. Dieses kurzsichtige Verhalten ist ja gerade auch in Lich zu beobachten, wo jetzt die Stadt und Hessen Mobil versuchen, sich gegenseitig den schwarzen Peter für das kommende Verkehrsdebakel zuzuschieben.
Es bleibt also abzuwarten, ob der Investor von sich aus belastbare (unabhängige) Umwelt- und Verkehrsgutachten vorlegt, oder es auf eine Klage ankommen lässt.

Flächenfraß

Bundesweit und durch alle demokratischen Parteien wird der Flächenfraß beanstandet. Aber kommunal wird immer wieder auf den Regionalplan verwiesen, der dieses Gebiet bereits seit mehr als 20 Jahren als Vorranggebiet für Gewerbe ausweist. Auch im Regionalplan, der aktuell neu aufgestellt wird, sollen wieder mehr als 180 Hektar landwirtschaftliche Fläche Mittelhessens in Gewerbeflächen umgewandelt werden können. Entsprechend der Empfehlungen des Weltklimarates an Entscheidungsträger muss der Flächenfraß durch entsprechende Planungen im neuen Regionalplan dringend gestoppt werden.

Die Kommunen sind bestrebt zu wachsen. Mehr Siedlungsfläche bedeutet mehr Einwohner. Aus der Einwohnerzahl errechnet sich z.B. die Zuteilung aus dem kommunalen Finanzausgleich. Allerdings steigt mit wachsender Einwohnerzahl auch die Verpflichtungen der Kommune, die passende Infrastruktur bereitzuhalten. Hier sind z.B. Verwaltung und Kindergärten zu nennen.

Das Ausweisen neuer Baugebiete hat häufig zur Folge, dass Ortskerne veröden.

Neue Gewerbegebiete werden meist von Investoren erschlossen und vermarktet. Wo der Gewerbetreibende seine Gewerbesteuer bezahlt ist für den Investor zweitrangig. Bei der Kommune selbst kommt dann oft nicht mehr viel an.

Die Notwendigkeit der Finanzierung von Kinderbetreuungsplätzen wird gerne angeführt, um neue Gewerbeflächen zu erschließen. Hinzu kommen die Versprechungen von zusätzlichen Arbeitsplätzen. Diese sind abhängig vom sich ansiedelnden Gewerbe und können genauso wenig wie die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen beziffert werden.

Diese „Argumente“ dienen dazu, das Ausweisen von Gewerbeflächen und damit einhergehende Flächenversiegelungen zu beschönigen und das schlechte Gewissen zu beruhigen.

Flächen lassen sich nicht vermehren, sie sind endlich.